In Santa Fe gründeten im 19. Jahrhundert sieben Nonnen eine Mädchenschule und bauten eine Kapelle. Hier beginnt auch die Geschichte der Treppe in der Loretto-Kapelle. Das gesamte Gebäude wurde im beliebten neugotischen Stil erbaut und vom renommierten französischen Architekten Antoine Mouly entworfen. Leider hat Mouly die Fertigstellung der Arbeiten nie erlebt.
Der Bau war 1878 fast fertig. Es fehlte nur noch ein Aufstieg auf die Chor-Empore. Die Kapelle ist sehr klein, und eine Standardtreppe wäre viel zu groß. Andere Kirchen und Kapellen jener Zeit hatten Leitern. Die allerdings kamen hier wegen der Bekleidung der Nonnen nicht in Frage.
Ohne eine Möglichkeit, den Dachboden zu erreichen, konnte die Kapelle aber nicht richtig genutzt werden. Deshalb begann irgendwann um 1880 der gesamte Orden den Heiligen Josef – den Schutzpatron der Zimmerleute – um Hilfe bei der Lösung des Treppenproblems zu bitten. Schließlich kam ein Besucher mit seinem Maultier und einigen Werkzeugen an ihre Tür.
Wer baute die Treppe?
Das Erste, was der Mann den Schwestern offenbarte, war, dass er von Beruf Zimmermann war. Er wurde eingeladen und entdeckte das Dilemma, das der vorzeitige Tod des Architekten hinterlassen hatte. Im Gegensatz zu vielen Handwerkern, die sich vor ihm umgesehen hatten, sagte er, dass es möglich sei, eine nützliche Treppe zum Dachboden zu bauen. Die einzige Bedingung, die er an die Schwestern stellte, war, dass er allein arbeiten musste.
Die Schwestern waren nur zu gerne bereit, dieser Bedingung zuzustimmen. Während sie die Kapelle für ihre eigenen Aktivitäten nutzten, zog sich der Zimmermann zurück und kam immer erst, wenn die Kapelle leer war. Einige der Schwestern gaben an, dass sie Holz in Kübeln, die sie ihm zur Verfügung gestellt hatten, durchnässt sahen.
Als die Treppe fertig war, freuten sich die Schwestern so sehr über das Ergebnis, dass sie zu Ehren des Zimmermanns ein Bankett organisierten. Dabei wurde er vermisst. Er hat sich während seiner Arbeit zu keinem Zeitpunkt identifiziert. Er verlangte nie eine Bezahlung für seine Arbeit oder sogar seine Vorräte und erhielt auch keine. Wer dieser Mann genau war, ist nur eines der vielen Geheimnisse, die sich um die Treppe der Loretto-Kapelle ranken.
Geheimnisse um die Treppe
Ein weiteres Rätsel ist der Bau der Treppe selbst. Denn es gibt weder Mittelsäule noch Stützbalken, und es scheint, dass das gesamte Gewicht selbsttragend ist. Der Handwerker verwendete weder Nägel noch Klebstoff. Er benutzte nur Holzpflöcke, um die Stufen zu sichern. Außerdem gab es kein Geländer. Die Legende besagt, dass einige der Nonnen so viel Angst hatten, die knappen sieben Meter hinauf und hinunter zu steigen, dass sie auf Händen und Knien krochen.
Die Treppe hat 33 Stufen, und sie führt zweimal um 360 Grad. Die Zahl 33 stellt das Alter Jesu bei seiner Kreuzigung dar. Die Schwestern waren fest davon überzeugt, dass es Joseph selbst war, der ihnen zu Hilfe kam. Daher hat man der Treppe den Spitznamen „St. Joseph’s Staircase“ gegeben.
Als man sich an lokale Lieferanten wandte, um diesen Handwerker ausfindig zu machen, konnte keiner von ihnen in irgendeiner Weise helfen. Es konnte kein Kaufbeleg gefunden werden. Außerdem wurde festgestellt, dass das verwendete Holz von einer unbekannten Art war. Welches Holz auch immer verwendet wurde, es war nicht in der Gegend von Santa Fe heimisch.
Eine moderne Analyse ergab, dass es sich bei dem Holz um Fichte handelte, aber eine Sorte, die niemand kannte. Später fand man, dass der nächste mögliche Fundort für Holz dieser Art irgendwo in Alaska war. Aber wie und warum sollte ein viktorianischer Zimmermann Unmengen von Bauholz mit nichts Anderem als einem Maultier transportieren?