Kann die geistige Gesundheit in eine wahnsinnige Welt zurückkehren? „Die Massen haben nie nach der Wahrheit gedürstet. Sie wenden sich von Beweisen ab, die nicht ihrem Geschmack entsprechen, und ziehen es vor, Irrtümer zu vergöttlichen, wenn Irrtümer sie verführen. Wer sie mit Illusionen versorgen kann, ist leicht ihr Herr; wer versucht, ihre Illusionen zu zerstören, ist immer ihr Opfer.“ (Gustav Le Bon, „Psychologie der Massen„)
Krankheiten des Körpers können sich in jeder Bevölkerung ausbreiten und epidemische Ausmaße annehmen, aber auch Krankheiten des Geistes. Und von diesen Epidemien der letzteren Art ist die Massenpsychose die Gefährlichste. Während einer Massenpsychose wird der Wahnsinn zur Norm, und wahnhafte Überzeugungen breiten sich wie eine Ansteckung aus.
Aber da Wahnvorstellungen viele Formen annehmen können und sich Wahnsinn auf unzählige Arten manifestieren kann, wird sich die spezifische Art und Weise, in der sich eine Massenpsychose entwickelt, je nach dem historischen und kulturellen Kontext der infizierten Gesellschaft unterscheiden.
In der Vergangenheit führten Massenpsychosen zu Hexenverfolgungen, Völkermorden und sogar Tanzwahn, doch in der Neuzeit ist die Massenpsychose des Totalitarismus die größte Bedrohung: „Der Totalitarismus ist das moderne Phänomen der totalen zentralisierten Staatsmacht gepaart mit der Auslöschung der individuellen Menschenrechte: Im totalisierten Staat gibt es die Machthaber, und es gibt die objektivierten Massen, die Opfer.“ Das schrieb Arthur Versluis in „Die neuen Inquisitionen„.
Massenpsychose als Machtinstrument
In einer totalitären Gesellschaft teilt sich die Bevölkerung in zwei Gruppen: Die Herrschenden und die Beherrschten. Beide Gruppen durchlaufen eine pathologische Transformation. Die Herrscher werden zu einem fast gottähnlichen Status erhoben, der unserer Natur als unvollkommene Wesen, die leicht durch Macht verdorben werden können, diametral entgegengesetzt ist. Die Massen hingegen werden zu abhängigen Subjekten dieser pathologischen Herrscher und nehmen einen kindlichen Status an.
Hannah Arendt, eine der herausragenden Gelehrten dieser Herrschaftsform des 20. Jahrhunderts, bezeichnete den Totalitarismus als einen Versuch der Transformation der menschlichen Natur selbst. Aber dieser Versuch macht aus gesunden Köpfen nur kranke Köpfe!
Die gesellschaftliche Transformation, die sich unter dem Totalitarismus vollzieht, baut auf Wahnvorstellungen auf und wird von ihnen aufrechterhalten. Denn nur verblendete Männer und Frauen fallen in den kindlichen Status gehorsamer und unterwürfiger Untertanen zurück und überlassen die vollständige Kontrolle über ihr Leben Politikern und Bürokraten.
Nur eine verblendete herrschende Klasse wird glauben, dass sie das Wissen, die Weisheit und den Scharfsinn besitzt, die Gesellschaft vollständig von oben nach unten zu kontrollieren. Und nur im Bann des Wahns würde man glauben, dass eine Gesellschaft aus machthungrigen Herrschern einerseits und einer psychologisch rückgebildeten Bevölkerung andererseits zu etwas anderem als Massenleiden und sozialem Ruin führen wird.
Dies ist ein übersetzter Auszug aus „American Crisis“ von Thomas Paine