Ein lateinisches Sprichwort lautet: „Mundus vult decipi, ergo decipiatur“ (zu Deutsch etwa „Die Welt will betrogen sein, also soll sie betrogen werden„). Diesen Slogan hat sich niemand so konsequent auf die Fahnen geschrieben wie die Institution des Christentums. Was hat das aber nun mit heiligen Reliquien zu tun? Nun, wir werden sehen.
Ein neuerlicher Ausflug führte mich kürzlich nach Waldsassen in der Oberpfalz (nahe der tschechischen Grenze). Seit Beginn des 18. Jahrhunderts steht dort eine Stiftsbasilika, in deren Innerem es einiges zu bestaunen gibt. Das dortige Kloster existiert allerdings schon seit dem 12. Jahrhundert.
Aber lasse mich am Anfang beginnen. Es war Mitte des 16. Jahrhunderts, als an der Via Salaria bei Rom ein Weinberg einstürzte. Er gab uralte Katakomben-Gräber frei, dessen Skelette man eilig ins Römische Reich Deutscher Nation verfrachtete. Dort hatte ein aufsässiger Mönch namens Martin Luther nämlich kürzlich für Unruhe im Christentum gesorgt.
Heilige Knochen im Christentum
Viele waren seinem Aufruf gefolgt und hatten der „Heiligen Mutter Kirche“ den Rücken gekehrt. Die sah Macht, Einfluss und vor allem Geld schwinden und sann auf Abhilfe. Und da kamen dem katholischen Christentum die Skelette aus Rom gerade recht. Und es war ein Glück, dass der Papst auf dem Konzil von Trient alle Gläubigen erst vor kurzem dazu ermuntert hatte, die Überreste von Heiligen zu verehren.
Im Kloster Waldsassen wurden die uralten Knochen nun nämlich wieder zusammengesetzt und mittels Papier, Draht und Pappe in verschiedene Positionen gebracht. Die Nonnen fertigten unter der Leitung eines Frater Adalbert prachtvolle Gewänder und verzierten die menschlichen Überreste mit Gold, Perlenketten und Diamanten.
Andere kreative Geister erfanden Heilige, Blutzeugen und Märtyrer mitsamt frommer Legenden um Leben, Wirken und Tod. Mit passenden Accessoires wie Speeren, Lanzen und Schwertern wurden die Knochen von Heiligen wie „Maximus“, „Vitalianus“ und „Theodosius“ in gläsernen Vitrinen drapiert.
Und so kam es, dass die Knochen völlig unbekannter Menschen 1.600 Jahre nach ihrem physischen Tod inbrünstig verehrt und vielfach sogar angebetet wurden.
Nach der kunstfertigen Aufbereitung in den Frauenklöstern wurden die Ganzkörper-Reliquien im ganzen Reich verteilt. Überall dort, wo sie feierlich ausgestellt wurden, entstanden neue Wallfahrtskirchen, die für sprudelnde Einnahmen sorgten.
Findige Pilger und Mönche, aber auch ausgediente Soldaten und andere Abenteurer boten ihre Dienste als Zwischenhändler und Vermittler an, um sich ein Stück vom Kuchen zu sichern.
Zehn der so geschaffenen Ganzkörper-Reliquien blieben in Waldsassen und werden bis heute in der dortigen Stiftsbasilika ausgestellt.
Weitere Abscheulichkeiten des katholischen Christentums, die bis in unsere Gegenwart reichen, kannst du aber auch im spannenden zweiten Band meines Buches nachlesen. Und damit meine ich ausdrücklich nicht „nur“ den Skandal um den weltweiten Missbrauch unzähliger Kinder!
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