Die Wald­ka­pel­le

waldkapelle

Darf ich mich kurz vor­stel­len? Ich bin Inha­ber einer Pen­si­on in einem beschau­li­chen Feri­en­dorf, und ich habe ein gro­ßes Pro­blem. Eine durch­rei­sen­de fei­ne Dame sah sich vor eini­ger Zeit mei­ne Pen­si­on an, weil sie ihre nächs­ten Urlau­be hier ver­brin­gen wol­le. Es gefiel ihr alles sehr gut, und sie ver­sprach im Som­mer ganz sicher zu kommen.

Ein paar Tage spä­ter kam eine E‑Mail von ihr, in der sie frag­te, ob es in dem Quar­tier auch ein WC geben wür­de. Du nusst schon ent­schul­di­gen, aber ich habe nur fünf Jah­re Volks­schu­le und bin des­halb nicht so gebil­det. Da ken­ne ich mich mit die­sen neu­mo­di­schen Abkür­zun­gen nicht aus und frag­te mei­ne Frau … und die frag­te ihren alten Vater. Aber kei­ner wuss­te, was ein WC sein soll. Es war wie verhext.

Aber da fiel mir mein Fri­sör ein. Der war wie alle von sei­ner Zunft ein klu­ger Mann und konn­te mir tat­säch­lich hel­fen. “WC heißt Wald­ka­pel­le, und sowas haben wir hier selbst­ver­ständ­lich!” Ach so! Sofort begab ich mich in mein Büro und schrieb mei­ner künf­ti­gen Urlau­be­rin eine schö­ne E‑Mail.

“Selbst­ver­ständ­lich haben wir hier ein WC, und zwar befin­det es sich eine hal­be Stun­de Fuß­masch von unse­rer Pen­si­on ent­fernt auf einer schö­nen Wald­wie­se. Es liegt mit­ten in der herr­li­chen Gebirgs­wald­land­schaft. Der Weg von uns führt leicht berg­auf und an immer an einem plät­schern­den Bach ent­lang, beglei­tet von schö­nem Vogelgezwitscher.

Unser WC ist Diens­tag, Don­ners­tag und Frei­tag von 9:00 Uhr bis 11:00 Uhr und Nach­mit­tag von 15:00 Uhr bis 17:00 Uhr geöff­net. Ich rate Ihnen aber, wegen des gro­ßen Andrangs immer eine hal­be Stun­de frü­her zu kom­men, damit Sie einen schö­nen Platz bekommen.

Aus­stat­tung der Waldkapelle

Das WC hat 80 Sitz­plät­ze: 50 unten und 30 für die Damen oben, damit sie alles über­bli­cken kön­nen. Sie müs­sen aber ein wenig auf­pas­sen, weil das eiser­ne Gelän­der ros­tig ist. Wenn Sie zu spät kom­men,  kön­nen wir Ihnen meis­tens nur noch einen Steh­platz anbieten.

Der ein­zi­ge reser­vier­te Platz im WC ist ist für unse­ren Herrn Kaplan. Von allen Plät­zen ist er gut zu sehen und zu hören. Werk­tags gehen wir in uns und spre­chen dabei ein stil­les Gebet. Aber jeden Sonn­tag spielt die Orgel und dazu der Posau­nen­chor, und wir sin­gen das gro­ße und das klei­ne Hal­le­lu­ja. Heim­wärts gehen wir dann erleich­tert und beschwingt berg­ab und pfei­fen mit den Vögeln um die Wet­te. Das ist der rich­ti­ge Urlaubs­ge­nuss, den Sie eigent­lich nur bei uns erle­ben kön­nen — noch dazu umsonst und gratis.”

Dies ist der Text mei­ner E‑Mail. Es ver­wun­dert mich, dass ich bis heu­te nichts mehr von ihr gehört habe. Denn die Dame  war eigent­lich so begeis­tert von unse­rem Ort und mei­ner schö­nen Pension …

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